Verschwunden by Thiesler Sabine

Verschwunden by Thiesler Sabine

Autor:Thiesler, Sabine [Thiesler, Sabine]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2023-01-18T00:00:00+00:00


MASKEN

57

Sie hatte ein Bad genommen, sich sorgfältig eingecremt und parfümiert, hatte das durchsichtige schwarze Gewand, das mehr ein Hauch als ein Gewand war, übergeworfen und besah sich im Spiegel. Im Grunde war sie nackt. Nur ein wenig wie mit Weichzeichner verfremdet.

Sie nahm die Maske in die Hand und betrachtete sie genau. Eine schwarze Colombina-Maske mit glitzernden Steinen und Perlen besetzt, an der linken Schläfe verschweißt mit schwarzen, leichten Federn wie die einer Federboa, sich allein durch einen Atemzug in der Luft bewegend. Das konnten Worte nicht besser erklären: Das war Venedig, Karneval, Rausch, Ausnahmezustand. Sie hatte es nie geschafft, im Februar herzukommen, jetzt gab es dieses erotische Fest nur für sie allein.

Sie legte die Maske an. War sich so fremd und fremd auch für jeden anderen. Una signora incognita.

Als Federico kam, war es bereits dunkel, fast Nacht, und sie war bereit. Er nahm sie an der Hand und führte sie aus ihrem Zimmer durch drei lange Flure in einen Spiegelsaal. Das Schöne an dieser Augenmaske war, dass sie alles sah, aber dennoch niemand ihr wahres Gesicht erkennen konnte.

Federico blieb wenige Meter hinter der offenen Tür stehen. An einer festlich gedeckten Tafel saßen drei Herren, elegant und teuer gekleidet. Die Unterhaltung erstarb. Sie starrten sie an, ein leises Raunen schwebte durch den riesigen Raum.

Sie lächelte.

Und dann führte Federico sie wie eine mittelalterliche Königin an erhobener Hand einmal durch den Saal. An der den hohen Fenstern gegenüberliegenden Wand registrierte sie goldene Ketten und Schlösser und fragte sich, ob die vielleicht für sie gedacht waren, und die Lust schoss durch ihren Körper.

Aber jetzt genoss sie es erst einmal, im Mittelpunkt zu stehen und voller Begierde begutachtet zu werden, sie spürte das Atmen und leise Stöhnen der Männer, sie war die Göttin.

Und endlich, sie sehnte sich jetzt danach, fixierte Federico sie wahrhaftig mit den goldenen Ketten und Schlössern an der Wand, und sie sah sich hundert- und tausendfach in den Spiegeln links und rechts und an der Decke, Hunderte Kerzen brannten, und ihr Bild reflektierte in warmem Licht von allen Seiten.

Der erste kam. Zaghaft, zögerlich, dann der nächste. Sie fühlte sich wie ein fremdartiges Wesen, das man nicht kennt und dem man sich langsam und vorsichtig nähert. Als läge sie unter dem Mikroskop. Sie wand sich unter den Berührungen der Männer, die ihren Körper erkundeten und ertasteten, und das sich überall spiegelnde, flackernde Kerzenlicht war das genaue Abbild ihrer explodierenden Lust, die sie kaum noch beherrschen konnte.

Sie quälten sie, indem sie sie nicht erlösten, sie zuckte orgiastisch in ihrer Lust, und als sie kurz davor war zu schreien, hielt ihr Federico den Mund zu.

Sie hing schlaff und bereits erschöpft in ihren Ketten.

Und schließlich öffnete Federico die Schlösser, befreite sie und legte sie auf eine breite, prächtige Liege, die sie bisher noch gar nicht bewusst wahrgenommen hatte, da sie sich hinter einem Paravent befand.

Einer nach dem anderen kam und legte sich auf sie. Mal sanft, mal drängend, mal heftig. Sie erlebte es wie einen Rausch, ihre Lust löste sich in einem orgiastischen Inferno, es war



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